Sechs Lavendelrouten für jeden Geschmack

Seit Jahrhunderten gilt Lavendel als Balsam für die Seele mit mystischen Eigenschaften. Bereits im Mittelalter als wirksames Mittel gegen die Pest eingesetzt, weckt Lavendel nicht nur olfaktorische Reize, sondern verleiht auch kulinarischen Raffinessen wie Lavendelhonig, Lavendelnugat oder Crème brûlée à la lavande das gewisse Etwas.

Dem Geheimnis des Lavendels auf der Spur

Wer alle Geheimnisse dieses lila leuchtenden Schatzes ergründen möchte, dem bieten sich in der Provence sowie in der Region Auvergne-Rhône-Alpes auf mehr als 900 Kilometern insgesamt sechs Lavendelrouten, die entweder motorisiert oder mit dem Fahrrad erkundet werden können. Auf gewundenen Pfaden trifft man inmitten von wogenden Lavendelmeeren immer wieder auf Menschen, die sich diesem betörenden Kraut mit passionierter Hingabe verschrieben haben: Beobachten Sie Lavendelbauern bei der schweißtreibenden Ernte, lassen Sie sich in einer der zahlreichen Destillerien in die Geheimnisse der Lavendelölgewinnung einweihen oder entspannen Sie im Hotel bei einer wohltuenden Massage mit ätherischen Lavendelölen.

Ein Wellness-Produkt

Auf den Lavendelrouten begegnet man vorwiegend zwei Arten von Lavendel: dem Echten Lavendel, welcher vor allem in Parfums und Kosmetika Verwendung findet, sowie dem kampferhaltigen und leicht holzigen Lavandin, das in erster Linie Seifen und Waschmitteln zugesetzt wird. Da Lavandin, eine Kreuzung aus Echtem und Breitblättrigem Lavendel, sehr ertragreich ist, dominieren dessen Anbauflächen in der Provence. Obwohl die Lavendelindustrie gegen Ende des 20. Jahrhunderts eigentlich im Rückgang begriffen war, erlebt sie seit reichlich einem Jahrzehnt vor allem durch den Wellness-Boom eine Renaissance: 25.000 Menschen bauen heute auf annähernd 20.000 Hektar Lavendel an, der anschließend in 120 Destillerien zu mehr als 1.000 Tonnen Lavendelöl jährlich verarbeitet wird.

Blütezeit

Die Lavendelrouten können prinzipiell zwischen April und November erkundet werden, wobei sich je nach Gegend vor allem der Zeitraum Juni bis August eignet, um den Lavendel in seiner vollen lilafarbenen Blütenpracht bestaunen zu können. Wer auf der Suche nach geschäftigem Treiben während der Erntezeit sowie kunterbunten und lebendigen Lavendelfesten ist, für den ist der Zeitraum Juli bis maximal Anfang September die richtige Wahl. Ideale Planungstipps und Routenempfehlungen findet man auf der Webseite der Routes de la Lavande (Externer Link) . Neben empfohlenen Unterkünften, Ausflugstipps, Pauschalangeboten bietet die Webseite Tipps für Autofahrer, Fahrradtouristen und Wandergesellen rund um die Lavendelrouten.

Im Tal der Drôme von Crest nach Rosans

Die nördlichste der sechs Lavendelrouten (137 km) schlängelt sich vorbei an den Hängen des Vercors-Gebirges und des Diois-Massivs durch abgeschiedene Bergdörfer sowie durch ein Feldermosaik mit echtem Lavendel. Beginnend in Crest mit seinem hoch über der Stadt thronenden mittelalterlichen Wehrturm führt die Strecke entlang der Drôme bis nach Aouste-sur-Sye, von wo aus man in die Täler der Sye und der Gervanne gelangt, welche vor allem als Anbaugebiete für Kräuter und Aromapflanzen bekannt sind.

Auf ein zuckersüßes Juwel trifft man, wenn man die D93 verlässt und der D70 folgt: Beaufort-sur-Gervanne. Die Chocolaterie La Frigoulette ist für ihre exquisite, mit ätherischem Lavendelöl aromatisierte Schokolade berühmt.

Über die Gemeinde Die vorbei an leuchtenden Lavandin-Feldern führt der Weg entlang der majestätischen Steilhänge des Glandasse ins Tal der Roanne. Rosans erreicht man schließlich über Saint-Nazaire-le-Désert und das mit seinem alpinen Charakter einen unvergleichlichen Charme verströmende La Motte-Chalancon. In Rosans lockt ein kostenloser Besuch des Écomusée du Pays Rosannais, in welchem man sich auf eine Entdeckungstour rund um den Lavendel und seine Kultivierung begeben kann. An jedem zweiten Wochenende im August findet zudem ganz in der Nähe ein farbenfrohes Lavendelfest in Saint-André-de-Rosans statt.

Zwischen Drôme und Vaucluse von Montélimar bis Nyons (80 km)

Ein Fest für die Sinne erlebt man zwischen zartduftenden Lavendelfeldern und steilen Rebhängen auf der Route zwischen dem für seinen weißen Nougat weltberühmten Montélimar und der Stadt Nyons mit ihrem vollmundigen Olivenöl. Über das malerische Künstlerdorf Le Poët-Laval und die sanften Ausläufer der Voralpen gelangt man in das urprovenzalische Dieulefit, wo bis heute das Töpferhandwerk gepflegt wird. Weiter geht es bis Taulignan, wo ein Besuch des traditionsreichen Seidenmuseums lohnt. Anschließend fährt man weiter nach Grignan mit seinem ehemals prestigeträchtigen Renaissance-Schloss der Madame de Sévigné sowie dem Sitz des Duftstofffabrikanten Durance.

Rund um Valréas und dem renommierten Weinanbaugebiet Enclaves des Papes tritt der Lavendel, welcher jeweils am ersten Augustwochenende in Valréas im Zuge des Lavendelkorsos gefeiert wird, gegenüber vorzüglichen Weinen des Rhône-Tals wie der Cuvée du Marot in den Hintergrund. Vom prächtigen botanischen Garten in Roussas ist es nun nicht mehr weit bis Nyons, wo ein Parfumworkshop in der Destillerie Bleu Provence unbedingt auf dem Programm stehen sollte.

Durch die Baronnies und entlang des Buëch auf vier Wegen nach Saint-Auban-sur-Ouvèze (200 km)

Im Zentrum dieser Lavendelroute liegt die Ortschaft Saint-Auban-sur-Ouvèze, welche von allen vier Himmelsrichtungen aus angesteuert werden kann. Die nördliche Route führt ausgehend von Nyons durch die Schlucht von Saint May im Tal der Eygues über den Col de Soubeyrand entlang verträumter Olivenhaine, dichter Linden- und Trüffelwälder, vereinzelter Aprikosenplantagen und weitläufiger Lavendelebenen. Eintauchen in ein Aromaparadies lässt es sich in Buis-les-Baronnies im Maison des Plantes Aromatiques et Médicinales.

Auf der östlichen Route ab Rosans wird man über Chauvac-Laux-Montaux und Orpierre ins Tal der Buëch geleitet, welches seine Reize vor allem beim Klettern und Mountainbiking offenbart.

Die südliche Streckenalternative nimmt ihren Anfang in Ferrassières, wo das mediävale Château de la Gabelle beispielsweise nach einem Besuch des am ersten Sonntag im Juli stattfindenden Lavendelfestes zu einer Übernachtung einlädt. Weiter geht es über den Thermalort Montbrun-les-Bains und die Méouge-Schluchten nach Séderon. Eine geführte Tour auf der dortigen Versuchsfarm ARDEMA verrät allerlei über Lavendelanbau, -verwendung sowie –arten.

Die westliche Tour schließlich beginnt am Eingangstor zu den Geheimnissen des Lavendels, dem antiken Römerstädtchen Vaison-la-Romaine. Durch das Tal der Ouvèze gelangt man nach Pierrelongue, dessen Basilika Notre-Dame de la Consolidation auf einem imposanten Fels hoch über dem Ort thront.

Drei Wege führen nach Apt zwischen Mont Ventoux, Lure und Luberon (198 km)

Herzstück dieser vor betörenden Aromen überquellenden sowie von mystischen Abteien und mittelalterlichen Dörfern gesäumten Lavendelroute ist Apt. Aus westlicher Richtung von Carpentras kommend, welches sich vor allem durch seine zuckersüßen Berlingot-Bonbons in Tetraederform einen Namen gemacht hat, führt der Weg vorbei an Eichenwäldern sowie Heide- und Lavendelfeldern über das Luberon und das Örtchen Coustellet mit seinem Lavendelmuseum ins Departement Vaucluse. Einen Besuch Wert ist die inmitten eines lilafarbenen Lavendelmeeres gelegene Zisterzienserabtei von Sénanque.

Der nördliche Routenabschnitt ab Ferrassières führt zunächst ins tiefer gelegene Sault. Neben einem etwa 4 Kilometer langen Lavendellehrpfad bietet der Ort zudem immer Mitte August ein Lavendelfest. Vor der Ankunft in Apt sollte man unbedingt der Ölmühle Jullien in Saint-Saturnin-lès-Apt einen Besuch abstatten, um dort kostenfrei lieblich-aromatischen Lavendelhonig zu verkosten.

Das Routentrio wird abschließend durch die östliche Strecke ab Forcalquier beschlossen, wo die sinnliche Welt der Düfte ihre Pforten öffnet. In Banon sollte man sich auf keinen Fall den gleichnamigen, traditionell in Kastanienblätter eingewickelten Ziegenkäse entgehen lassen. Freunde der provenzalischen Flora kommen im botanischen Garten der ehemaligen Zisterzienserabtei von Valsaintes in der Nähe von Simiane-la-Rotonde auf ihre Kosten.

Vorbei an den Osthängen der Albion-Hochebene gelangt man schlussendlich über Rustrel nach Apt.

Zwischen Haute-Provence und Verdon-Schluchten von Forcalquier nach Castellane (185 km)

Über das Tal der Durance und die Hochebene von Valensole führt diese Lavendelroute zunächst Richtung Manosque, wo der internationale Kosmetikhersteller L’Occitane en Provence seinen Sitz hat und neben Werksbesichtigungen auch mit einem eigenen Museum aufwarten kann. Wenige Kilometer weiter in Valensole lädt die familiengeführte Destillerie Terraroma Jaubert zu einem kostenlosen Besuch ein. Ein weiterer olfaktorischer Höhepunkt erwartet den Reisenden unter anderem in Aiglun, Sitz des Parfumproduzenten Nicolosi.

Digne-les-Bains als ehemalige Hauptstadt des Lavendels zieht jedes Jahr zahlreiche Besucher zu einem fulminanten Lavendelkorso sowie einer Lavendelmesse am ersten Augustwochenende an. Zwischen Digne-les-Bains und Barrême, wo jeweils am letzten Juliwochenende ein Lavendelfest gefeiert wird, folgt man dem Verlauf der berühmt-berüchtigten Route Napoléon. Kurz vor der Ankunft in Castellane passiert man schließlich den verträumt romantischen Stausee Lac de Castillon mit seinem kristallklaren Bergwasser.

In den Voralpen von Castellane nach Grasse (70 km)

Gestartet werden kann die Tour in Castellane mit einer Erkundung der Geheimnisse der Seifenfabrikation beim Hersteller La Tour de Guet. Bis Séranon folgt man auch hier dem Verlauf der geschichtsträchtigen Route Napoléon. Auf dem Weg nach Grasse entlang karstiger Hochebenen und friedvoller Bergdörfer fällt der Blick immer wieder auf das in der Ferne blass schimmernde Mittelmeer. In dieser Gegend kann man sich besonders ausgiebig an der Lavendelblüte erfreuen, da hier und da wilder Lavendel die Landschaft bis weit nach der Erntezeit in ein zartes lilafarbenes Licht taucht. Geruchlicher Finesse und Perfektion begegnet man schließlich in Grasse, Welthauptstadt des Parfums und zugleich Ziel dieser Lavendelroute. Ganz wie Patrick Süskinds Protagonist Jean-Baptiste Grenouille aus „Das Parfum“ können Besucher zum Beispiel im Musée International de la Parfumerie oder beim Parfumproduzenten Galimard selbst den Geheimnissen der Duftextraktion ein Stück näher kommen.

Digne-les-Bains